Damit hatte niemand gerechnet: Gleich am ersten Wettkampftag erzielte Björn Koch aus Bad Wildbad im Schwarzwald einen neuen Weltrekord. Bei der neunten Schwimm-Europameisterschaft für Gehörlose in Thessaloniki hechtete der 18-Jährige über 100 Meter Schmetterling in nur 0:57:56 Minuten zur Weltbestzeit. "Ich war total überrascht" beschreibt der Sieger sein Gefühl "vor allem, weil dies meine erste Europameisterschaft war, an der ich teilnahm."
Bevor der Schwerhörige ins Wasser steigt, gilt es jedoch einige Hürden zu überwinden. Die Startaufforderung erfolgt über Lichtsignale. Drei verschieden farbige Lampen dirigieren den Weg vom Startblock bis zum Sprung ins Wasser. Auch bei der Anmeldung muss, laut Angaben von Peter Thiele, Verbandsschwimmwart des Deutschen Gehörlosensportverbandes, die besondere Situation berücksichtigt werden. "Der Gehörlosensport", erklärt Thiele "war der erste organisierte Behindertensport. Neben den jährlichen Deutschen Gehörlosen-Meisterschaften finden alle vier Jahre die Europameisterschaften statt. Dieses Jahr haben im Juni sechs aktive deutsche Nationalschwimmer daran teilgenommen. Der herausragende Weltrekord von Björn Koch hat alle angespornt. Björn kann nicht nur gut schwimmen, er hat auch ein starkes Nervensystem."
Für seine Siege trainiert der ehrgeizige Schwimmer täglich drei Stunden im Heidelberger Schwimmverein. In der Neckarstadt besucht Björn Koch ein Internat für Gehörlose. Daneben bleibt wenig Zeit für andere Dinge. Verabredungen trifft er per SMS oder email. Dank seiner blauen Hörgeräte und einem Rest Hörvermögen kann er mit guten Freunden sogar telefonieren. Hauptsächlich nutzt der junge Mann sein Handy allerdings als Wecker. Er legt es unters Kopfkissen und lässt sich davon wachrütteln.
Aufgewachsen ist der Schwerhörige ohne Gebärdensprache, seine Eltern unterhalten sich ganz normal mit ihm. Zuerst dachten die Ärzte, Björn sei taub. Aber als ein Therapeut mit dem knapp Dreijährigen zu arbeiten begann, sprach das Kind wenige, anfangs undeutliche Worte. Um den Rest Hörvermögen zu fördern, rieten die Fachleute den Eltern von der Gebärdensprache ab.
Als Junge wollte Björn immer Fußballspielen, musste jedoch auf dem Bolzplatz herbe Enttäuschungen einstecken. Seine Großeltern brachten ihm das Schwimmen bei. Schon mit sechs Jahren entwickelte er sich zur begeisterten Wasserratte. "Wie eine Robbe glitt Björn durchs kühle Nass" erinnert sich seine Mutter Ute Koch. "Die anderen lobten seine Schnelligkeit. Das hat ihn ungemein angetrieben." Eisern begann der sportliche Junge zu trainieren. Die Tipps seiner Trainerin liest er ihr von den Lippen ab. Ab August wird der Champion in Essen auf einem speziellen Internat das Abitur anpacken. Später möchte er gerne Sport und Mathematik an einer Schule für Gehörlose unterrichten. Bis dahin wird der Rekordschwimmer sicher noch einige Medaillen erkämpfen.