Gottfried Paulus
Peter Fiebiger, DGS-Vizepräsident für Öffentlichkeitsarbeit
Datum: 06. Januar 2006
Nach annähernd 25 Jahren nimmt Gottfried Paulus, Deutschlands Gehörlosen Radsport-Legende seinen Abschied vom Amt des Fachwarts. Gerald Mielke-Weyel, mehrfacher Deaflympic-Sieger und Europameister ist sein Wunschkandidat als sein Nachfolger.
Gottfried Paulus war ein Pionier im Deutschen Gehörlosen Radsport. Als es in anderen Ländern (Italien, Belgien, Frankreich u.a.) bereits gehörlose Radsportler gab, welche um Weltmeisterschaften und bei den Weltspielen (jetzt Deaflympic-Games) kämpften, hatte Gottfried Paulus keine Chance auf eine Teilnahme. Obwohl er bereits bei vielen Rennen der Hörenden teilnahm, wobei es meistens über eine Distanz zwischen 150 bis 200 km ging. Der Radsport war im DGS nicht vertreten.
Seine Geschichte begann so: Eines Tages, so etwa im Jahr 1973, als die Weltspiele in Malmö/Schweden stattfanden, fuhr ein gehörloser Radsportler in den frühen Morgenstunden von Landshut Richtung Bayerischer Wald zu seinen Eltern. Damals war noch sehr wenig Verkehr auf der Straße. Aber etwa 30 km vor Straubing wurde er von einem Auto überholt, welches einige hundert Meter weiter parkte und der Fahrer stieg aus, lehnte sich an das Autotür und als der Radfahrer dann Sekunden später vorbei kam, fragte der Mann an der Autotür: "bist Du taubstumm"?
Der Mann an der Autotür war Gottfried Weileder, ein sehr geachteter und berühmter Gehörloser. Gottfried Weileder sagte ihm dann, dass er sich beim DGS wegen einer möglichen Teilnahme bei den Weltspielen (Malmö) melden soll. Gesagt - getan, aber der damalige Präsident Waldow blockte dies ab. Er hat es akzeptiert und ist weiter mit seinen hörenden Radkameraden viele Rennen gefahren in Bayern. Jedes Jahr von März bis Oktober. Das waren so ca. 17 000 km Trainings- und Rennkilometer pro Jahr.
Irgendwann kam dann Dieter Kellermann (Rüsselsheim) und wollte im DGS eine Radsparte gründen. Das war so um 1979 oder 1980. Wegen der Weltspiele 1981 in Köln wurde Kellermann aktiv. Es kamen dann 7 interessierte Radsportler zu einem ersten Treffen und Wettkampf in Rüsselsheim zusammen wo festgestellt werden konnte, dass durchaus internationales Leistungsvermögen gegeben war. Da Dieter Kellermann zu dieser Zeit mehrere Rennen in Belgien absolvierte und somit Insider war, konnte er beurteilen, dass sie konkurrenzfähig waren.
Die Weltspiele in Köln waren der Beginn der Sparte Radsport im DGS. Mit einer geschwächten Mannschaft gewann man Bronze im 100 km Straßenrennen und Paulus selbst wurde in seiner Spezialdisziplin dem Einzelzeitfahren Fünfter. Ein Podiumsplatz wäre mit einem Trainer möglich gewesen, leider gab es dies damals noch nicht. Im Einzel-Straßenrennen, wo er sich eine Medaille gewünscht hätte, landete er übermotiviert nach einem Sturz im frühen Rennstadium im Hospital, statt auf dem Treppchen.
Im Anschluss an die Weltspiele in Köln hatten die Radsportler im DGS eine Zukunft und Gottfried Paulus wurde zum Beauftragten für die Sparte Radsport bestellt. Er nahm dann mit bekannten Radsport-Organisationsleitern Kontakt auf, fand am Kaiserstuhl ein Trainingsrevier und Unterstützung und machte dort über 20 Jahre lang Treffen, Lehrgänge und Wettkämpfe mit Unterstützung dortiger hörender und gehörloser Vereine.
Höhepunkte waren die Europatreffen, wo einige Jahre lang annähernd 50 Radsportler aus Deutschland, Frankreich, Italien, Schweiz, Belgien, Tschechien, Slowenien und anderen Ländern teilnahmen. Darüber wurde auch im Fernsehen "Sehen statt Hören" berichtet. Diese Europatreffen führten dann abwechselnd nach Mailand, Verona, Modena, Brügge, Kortrik, Paris, Landshut usw.
Es folgten viele Weltspiele, Welt- und Europameisterschaften, wo er als Radsportleiter und Aktiver fungierte und mit Medaillen die Heimreise antreten konnte. Er selbst war bei den Wettbewerben am Start und konnte sich trotzt der Doppelbelastung als Delegationsleiter und Trainer unter den Top 10 behaupten.
Immer wieder versuchte er neue Sportler für den Radsport zu gewinnen. Er durchlebte Höhen und Tiefen. Besonders hart traf es ihn bei der Radsport Europameisterschaft 2000 in Prag. Florian Göbel ein neuer erfolgshungriger Radsportler, gerade 18 Jahre alt. Er wäre wohl einer der erfolgreichsten Radsportler im DGS geworden. Aber das Schicksal hat es anders gemeint. Sein tragischer Todessturz überschattete seine Funktionärstätigkeit.
Ein Glücksfall war 1994 Gerald Mielke Weyel, ein gehörloser Triathlet, der vom Gehörlosen-Radsport hörte. Ihn baute er auf, unterstützte, beriet ihn über 10 Jahre lang und lies ihm mentale Hilfe zukommen, mit den bekannten Erfolgen. Als Radsportleiter und Betreuer feierte er mit ihm viele Erfolge und Medaillen. Die Letzten Anfang 2005 in Australien bei den Deaflympic-Games.
Aber nicht nur im DGS leistete er hervorragende Arbeit im Sport. Im Jahr 1989 gründete er den GSV Landshut und schon am 4. August 1989 veranstaltete er dort sein erstes internationales Radsport-Meeting, an dem annähernd 60 internationale Radsportler teilnahmen.
1992, bei den Radsport Europameisterschaften in Manresa/Spanien wurde er von der EDSO gebeten, die Bestimmungen für eine Radsport EM zu verfassen und die EM zu leiten. Es war eine seiner schwierigsten Aufgaben. Aber die EM in Manresa wurde die tollste aller Radsport Eurpoameisterschaften. 12 Jahre lang war er dann für die EDSO als Technischer Delegierter für Radsport tätig.
um Abschluss seiner Laufbahn gilt sein Dank allen Radsportler/Innen, welche an Wettkämpfen, Europatreffen u.a. und Lehrgängen, Europameisterschaften und Deaflympics teilnahmen. Annähernd 40 Jahre im Radrennsport liegen nun hinter ihm. Er hatte halt Radsportblut in den Adern. Nicht vergessen sollte man auch, dass Gottfried Paulus 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande für seine vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten geehrt wurde.
Der DGS ist ihm zu großem Dank verpflichtet und sagt leise "Servus"
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