9. Orientierungslauf-EM in Litauen
Walddisziplin Mitteldistanz (07.09.2021) 5,6km (Luftlinie) mit 70m HM, 19 Posten
Während des ruhigen Trainingslaufs am Tag zuvor und dem Kennenlernen des litauischen Waldes östlich der Hauptstadt Vilnius war der flache Wald geprägt von Sümpfen und dichtem Gebüsch. So hatten die Orientierungsläufer beim Model Event die Gelegenheit, jedes Detail kennenzulernen und zu beurteilen, insbesondere wie gut Sümpfe und Dickichte belaufbar sind, und was anders als im deutschen Gelände ist. Damit bekam jeder ein gutes Gefühl für den bevorstehenden Wettbewerb über die Mitteldistanz, der auf einer benachbarten neuen Karte stattfinden sollte.
Sergei im Einsatz auf der Mittelstrecke
Bei strahlendem, kühlem Wetter ging der deutsche Orientierungsläufer Sergei Roskop als Drittletzter auf die Strecke. Er war leicht angeschlagen mit einer Fußverletzung als Folge des Sturzes im Sprint. Auf der Mitteldistanz wird in zwei Minuten Abstand zwischen den Läufern die Postenjagd gestartet.
Betreuer Dirk Rohwedder verfolgte am Monitor im Ziel die Läufer, die alle mit GPS-Sendern ausgerüstet waren und tauschte sich mit den anderen Betreuern über verschiedene Taktiken aus. Alle anderen Orientierungsläufer, aber auch der Sparten-Fachwart und Trainer von Roskop, verfolgten den Lauf vom heimischen Bildschirm aus, während sich die EM-Teilnehmer vor dem Start in einem abgeschirmten Quarantänebereich aufhalten mussten, um die Bahn erst am Start zu sehen.
Beim ersten Blick auf die Karte konnte man feststellen, dass es relativ wenig Routenwahlen gab, dafür aber sehr viele dicht bewachsene (grüne) Bereiche (Anm.: je dunkler das Grün auf der Karte, desto schwieriger bis unmöglich ist die Belaufbarkeit dieses Bereichs). Die Walddisziplin Mitteldistanz ist meistens die technisch anspruchsvollste Disziplin im Orientierungslauf.
Roskop musste sich mit seiner Technik dem Gelände anpassen, d.h. vor allem im dicht bewachsenen Gelände das Tempo herauszunehmen, wo die Sicht stark eingeschränkt war. Außerdem war intensives Kartenlesen und permanenter Kartenkontakt gefordert.
Insgesamt hatten viele Läufer Probleme, die Posten im Gelände zu finden und kreisten oft herum, bis sie sie schließlich fanden. Roskop gehörte leider dazu. Er hatte kein Glück an dem Tag. Als 14. kam er unzufrieden ins Ziel und kommentierte zur Strecke: „Der Kurs und das Gelände ist unglaublich schwer, so stark und dicht bewachsen, dazu tiefe Sümpfe. Das Gelände war komplett anders als gestern im Training. So was gibt es selten bei uns in Deutschland.“
Walddisziplin Langstrecke (08.09.2021) 10,2km Luftlinie, 320 Hm
Wie am Tag zuvor war das Wetter diesmal auch hervorragend und bot allen optimale Bedingungen.
Der letzte Wettbewerb der EM ging über die Langdistanz, mit 10,2km (Luftlinie) mit 320m Hm und 21 Posten. Austragungsort war ein Wald nordwestlich von Vilnius, wo wenige Wochen zuvor die Jugend-EM der Hörenden ausgetragen wurde. Ein völlig anderer Geländetyp als bei der Mitteldistanz und eine neue Herausforderung für alle Starter.
Gleich zu Beginn gab es eine Überraschung bei der Bahnlegung. Der Kurs war noch schwieriger als die Mitteldistanz gestaltet. Es gab einen Schmetterling, d.h. von einem zentralen Anlaufpunkt mitten in der Bahn mussten drei Schlaufen („Schmetterlingsflügel“) abgelaufen werden. Jeder Läufer musste diese Schlaufen in unterschiedlicher Reihenfolge absolvieren. Damit wurde vermieden, dass Läufer, die sich trotz drei Minuten Startabstand im Wald getroffen hatten, die gesamte Strecke miteinander weiterlaufen konnten.
Schon bei der Verfolgung auf Monitoren und im Internet konnte man schnell beobachten und sich vorstellen, wie schwer es war, die Posten im dicht bewachsenen Gebiet zu finden. Ganz anders als bei der Jugend-EM gab es kaum Routenwahlmöglichkeiten über Wege und Pfade oder Schneisen. Man musste permanent durch dicht bewachsenes Gelände mit geringer Sichtweite und diffizilem Höhenbild navigieren.
Ein immer noch leicht angeschlagener Roskop startete etwas unsicher, anschließend fand er seinen Rhythmus. Nach Posten drei ging es in den ersten Schmetterlingsflügel. Beim fünften Posten konnte Roskop von einer Mulde aus nicht sauber auf den höchsten Punkt zusteuern. So lief er mit Umweg zum vierten Posten zurück, um sich neu einzulesen. Von da an lief es gut bis zum Beginn des dritten Schmetterlingsflügels. Aufgrund eines Fehlers beim Kompasspeilen lief er an Posten 15 vorbei, ohne ihn zu finden, was seine Ursache ebenfalls im dicht bewachsenen Gebiet hatte. Es gelang ihm leider nicht, seine Coolness zu bewahren, um diesen Posten neu anzulaufen.
Aufgrund des fehlenden Posten 15 kam es somit für Roskop zur Disqualifikation. 60% des Feldes kam ohne Wertung ins Ziel (fehlende Posten, falsche Reihenfolge beim Schmetterling, einzelne Schmetterlingsflügel falsch herum gelaufen, Aufgabe). Nur 11 schafften die bislang schwierigste Strecke, die je es bei einer Gehörlosen EM oder WM gegeben hat. Mit einer Siegerzeit von rund 90min, die nur von wenigen Teilnehmern annähernd erreicht wurde, war die Bahnlegung nicht angemessen. Routenwahlen mit Weganteil als Alternative für weniger erfahrene Teilnehmer fehlten komplett.
So dominierten die traditionell starken Orientierungsläufer aus Russland und der Ukraine alle Wettbewerbe.