2. Beachvolleyball-Europameisterschaft
vom 25. August bis 02. September 2007 in Halkida/GRE
Im Zusammenhang mit der 2. Beachvolleyball Europameisterschaft in Griechenland und mit dem Mannschaftssport allgemein hat sich die Gelegenheit ergeben mit dem Trainer und der Trainerin der DGS Mannschaften die häufig gestellte Frage zu erörtern: „Warum treiben Gehörlose unter einem eigenen Dachverband Sport - sowohl national als auch international?“
Wie bereits schon in anderen Zusammenhängen erwähnt, erscheinen Gehörlose und Menschen mit Hörbehinderung im ersten Augenblick ohne Handicap. Dennoch ist ihre Behinderung entscheidend für ihre Kommunikation, die hauptsächlich auf visuelle Vermittlung und optische Wahrnehmung beruht. Zudem ist das Gehör ein hochempfindliches Sinnesorgan, das räumliche Orientierungssicherheit liefert.
Im Sport gibt die akustische Wahrnehmung sehr klare Informationen über das Umfeld, wie die Beschaffenheit eines Bodens, die Nähe der Mit- oder Gegenspieler, die Härte und Qualität eines Aufschlages.
Bezogen auf den Mannschaftssport und in diesem Fall auf Beachvolleyball und Volleyball ergeben sich aus dieser Kommunikationgrundlage andere Anforderungen an Sportler und Trainer, die im Folgenden aufgezeigt werden.
Kommunikation im Training
Im Gehörlosen-Spitzensport werden die Spotler vorwiegend von hörenden Trainern ausgebildet, die eine entsprechende Lizenz haben. Das bedeutet schon im Training eine erschwerte Kommunikationssituation. Trainer müssen die Gebärdensprache erlernen oder sind auf den Einsatz von GebärdensprachdolmetscherInnen angewiesen, die gegebenenfalls nicht im jeweiligen Sport zu Hause sind. Gebärdensprachdolmetscher werden nicht sportspezifisch ausgebildet sondern müssen sich in diesem Fall sowohl den sportspezifischen Gebärdenwortschatz als auch entsprechende Sportkenntnisse erarbeiten.
Die Aufmerksamkeit der Sportler bei Besprechungen von Spielzügen, Taktiken und Trainingsanweisungen ist häufig geteilt, weil sie sich gleichzeitig auf die DolmetscherInnen und den Trainer konzentrieren müssen. Diese erhöhte Konzentration führt auf anderem Weg als nur das reine körperliche Training zu Ermüdung. Dadurch, dass alle Anweisungen im Grunde zweimal „ausgesprochen“ werden müssen, geht außerdem viel Trainingszeit verloren.
Wahrnehmung von Umständen beim Wettkampf
Situation der TrainerInnen
In der Wettkampfsituation stehen den TrainerInnen nur geringe Möglichkeiten zur Verfügung, in die laufende Spielsituation einzugreifen. Im hörenden Sport kann ein Trainer durch Zuruf Einfluss auf das Spielverhalten der SportlerInnnen nehmen, ohne die volle Konzentration der SportlerInnen zu verlangen. Im Gegensatz dazu können TrainerInnen nur dadurch Einfluss nehmen, dass sie die volle Aufmerksamkeit eines Mannschaftsmitglieds durch visuelle Signale auf sich lenken und den Sportler/die Sportlerin aus dem Spielfluss reißen. Am Beispiel des Beachvolleyballs ist auch das ausgeschlossen, da in einer zweiköpfige Mannschaft die ausschließliche Konzentration beider Sportler auf das Spiel zwingend ist. Fehlende Taktik und mangelhaftes Spielverhalten können immer nur im Nachhinein korrigert werden, wenn die Spielsituation bereits vorbei ist.
Verständigung mit den Schiedsrichtern
Im internationalen Gehörlosen-Sport wird nach den Regeln des Sports der Hörenden gepfiffen und fast ausschließlich von hörenden Schiedsrichtern. Gebärdensprachkompetente Schiedsrichter sind so selten wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Der Pfiff des Schiedsrichters muss von eindeutiger Gestik unterstützt werden, die Reaktionszeit der SportlerInnen im Wettkampfgeschehen kann unter Umständen lang sein und zu Missverständnissen führen, die dann wiederum zu ungerechtfertigten Entscheidungen der Schiedsrichter führen. Das ist unbestritten mit Frustration für die SportlerInnen verbunden.
Die Unterstützung der Fans
Der Mannschaftssport der Hörenden lebt unter Anderem auch vom Jubel der Fans. Die lautstarke Unterstützung der Zuschauer treibt das Spiel an, die SportlerInnen werden angeheizt und steigern Leistung und Geschwindigkeit.
Die Gehörlosen und Menschen mit Hörbehinderung haben visuelle Mittel, ihre Favoriten zu untersützten (z.B. das der LaolaWelle ähnliche Heben und Bewegen der Hände). Selbstverständlich werden auch hier die SportlerInnen durch Jubelrufe und lautstarke Begeisterung angefeuert, können diese Unterstützung, nicht wahrnehmen, sie dürfen die Augen nicht vom Spielgeschehen abwenden, weil sie dann sofort den Ballkontakt und den Kontakt zum Spielpartner/zur Spielpartnerin verlieren.
Kommunikation im Spiel
Beispiel Beachvolleyball und Volleyball
Im Angriff
Hörende verlassen sich im Angriff auf ihren Partner, indem der Steller dem Angreifer durch Zuruf in letzter Sekunde die Angriffsrichtung vorgibt. Gehörlose haben diese Möglichkeit des Zurufens nicht und so sieht gegebenenfalls ein ausgezeichneter Angriff wie eine schlecht organisierte Taktik aus.
Der Abwehrspieler kann die Qualität eines Aufschlag nicht hören (hart geschlagener Ball, Finte…), er muss sich auf seine visuelle Warhnehmung und seine Erfahrung verlassen und Ball und Gegenspieler immer im Auge haben.
Blockverhalten
Hörende können in letzter Sekunde die vorher abgemachte Richtung durch Zurufe ändern (Diagonal, Longline, Fake-Block). Ein deutliches Beispiel ist der Fake-Block. Ist der Ball vom Gegner zu weit weg vom Netz, gibt der Abwehrspieler dem Blockspieler häufig das Kommando, sich vom Netz zu lösen.
Da im Gegensatz dazu bei der Kommunikation der Gehörlosen der Blickkontakt und der Gebrauch der Hände entscheiden, gibt es im Gehörlosensport die Möglichkeit durch vereinbarte Signale die Spieltaktik kurzfristig zu ändern. Das verlangt aber wieder, die Aufmerksamkeit des Mannschaftskollegen/der Mannschaftskollegin zu bekommen und vom Spiel abzuziehen. Bei einer Zweiermannschaft wie beim Beachvolleyball ist das also kaum möglich, ohne dass es zu Fehlern kommt.
Annahmeriegel
Im Volleyball wird konsequent auf einen Annehmer aufgeschlagen. Wird der Ball in die Mitte aufgeschlagen, können Hörende sich durch Zurufe (z.B. ICH, WEG…) verständigen und so Komplikationen im Spielaufbau vermeiden. Im Gehörlosen-Volleyball entsteht in der Mitte häufig ein Loch, beide PartnerInnen bewegen sich zum Netz, in der Annahme, dass der Mitspieler/die Mitspielerin den Ball annimmt.
Gehörlose und Menschen mit Hörbehinderung gemeinsam mit Hörenden im Mannschaftssport.
Alle LeistungssportlerInnen im DGS haben neben ihrem Training in Gehörlosen-Sportvereinen auch Training in hörenden Vereinen, um ihre Leistungsniveau zu halten oder zu steigern. Die Erfahrung der SportlerInnen ist nicht durchgehend positiv. Der häufige Mangel an Bereitschaft zur Integration und die Ungeduld bei der Verständigung haben selbst auf die leistungsstärksten und engagiertesten unter ihnen eine demotivierende Wirkung und stoßen auf wenig Verständnis.