Fußball-Freundschaftsspiel
Angela Groß, Online Zeitung „die stimme.de“
Datum: 18. April 2008
Online Zeitung „die stimme.de“ 17.04.2008
www.stimme.de/nachrichten/heilbronn/art16305,1225020
Die Leisetreter
Angela Groß
Neckarsulm - Sie hören es nicht. Weder wie Amorbachs Trainer Matthias Sprissler ein gequetsches „Hintermannnn“ brüllt, nicht den Jubel als das erste und einzige Tor fällt, noch die Pfeife von Sascha Wirth. Der Schiedsrichter ist mit der Fahne unterwegs, um sich verständlich zu machen. Es ist ein ungleiches Spiel: Hörende gegen Gehörlose, der SC Amorbach gegen die Deutsche Nationalmannschaft der Gehörlosen.
Kleines Fest, 500 Menschen verfolgen diese ungewöhnliche Begegnung am Dienstagabend auf dem Amorbacher Sportplatz. Unter ihnen 100 Schüler der Heilbronner Lindenparkschule für Gehörlose, viele Ehemalige sind da, Lehrer und Eltern. Hinterher treffen sich alle beim Essen. Auf dem Rasen sieht alles aus wie sonst auch: 22 Männer rennen hinter einem Ball her. Wären da nicht immer wieder Hände im Spiel. Kommunikation ist wichtig. „Hörende Spieler coachen sich gegenseitig. Sie spielen sich auf Zuruf zu“, sagt Frank Zürn. Der Trainer der Gehörlosen-Nationalelf sagt über seine Spieler: „Sie sind ganz klar benachteiligt.“
Deutschland steht in goldenen Buchstaben auf dem Trikot der Nationalspieler, 80.000 weitere Menschen sind wie sie ohne Gehör – „eine Behinderung, die immer wieder unterschätzt wird“, weiß Frank Zürn aus vielen Gesprächen. Wären seine Jungs mit Prothesen unterwegs, der Mitleidsfaktor wäre um ein Vielfaches größer. Der 40-jährige Karlsruher Trainer wechselt für seine Spieler fließend in die Gebärdensprache und artikuliert für sie überdeutlich mit den Lippen. Falls erforderlich, legt er seine Wut in all seine Gesichtsmuskeln. Der Typ Schreihals ist er sowieso nicht. Halbzeit: Die Spieler scharen sich im Kreis um ihre Trainer. Bei Amorbach geht es laut zu. Ein paar Meter weiter fahren Hände durch die Luft. Frank Zürn scheint nicht so richtig zufrieden mit seinen Jungs zu sein: „Es wäre schön, wenn sie mehr von dem, was wir gelernt haben, abrufen würden“, wird er nach dem Spiel sagen. Und dass sie müde sind, von den vielen Trainingseinheiten.
Zurzeit bereitet er seine Truppe auf die Weltmeisterschaft vor, unter ihnen Spieler, die Verbandsliga spielen könnten, tatsächlich aber in der Kreisliga kicken, mit Hörenden. Wenn das Spiel läuft, hat der Coach fast keine Möglichkeit, sich einzuschalten. Manchmal wedelt er wie verrückt mit der Hand, um einen Spieler woandershin zu dirigieren. Wenn der nur auf ihn achten würde. Der Blickkontakt unter den gehörlosen Fußballern ist intensiv. Auf den Atem und die Schritte eines Verfolgers können sie nicht bauen – im Gegensatz zu ihren Konkurrenten.
„Riesenerlebnis“ Die Spieler des SC Amorbach haben ihre Nervosität mittlerweile abgelegt. Am Anfang wussten sie nicht so recht, ob sie irgendwie besonders rücksichtsvoll sein sollen, das hat man ihnen aber ausgeredet. Dass sie am Schluss gewinnen würden, ist für sie das Sahnehäubchen auf einem „Riesenerlebnis“, sagt Sprissler und grinst. Der Respekt vor der Leistung der Gehörlosen ist mit den 90 Minuten gewachsen: „Wie die das machen, ist für mich nicht nachvollziehbar.“
*** Die Filmaufzeichnungen zu dem Spiel werden als Aufhänger für die landesweiten Behindertentage am 2. Mai 2008 in der Landesschau zwischen 18.45 Uhr und 19.45 Uhr im Südwestfernsehen, Regionalprogramm Baden-Württemberg, Kennung SWR BW, gezeigt.
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